Kardinal König und das Konzil
Leiterin des Wiener "Kardinal König-Archivs", Annemarie Fenzl: "Handschrift" des Kardinals an wichtigen Dokumenten erkennbar
Er war "einer der herausragenden Konzilsväter", insofern er zu jenen gehörte, "die den inneren Fortgang des Konzils bestimmten": Mit diesen Worten würdigte kein Geringerer als Joseph Ratzinger die Rolle des 2004 verstorbenen Wiener Erzbischofs Kardinal Franz König auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65). Tatsächlich war König nicht nur die wichtigste österreichische Stimme auf dem Konzil, sondern einer jener Konzilsväter, die nicht durch laute Auftritte, sondern vielmehr durch ihr Netzwerken im Hintergrund effektiv den Kurs des Konzils in wichtigen Fragen bestimmten. Neben König war die österreichische Kirche auf dem Konzil von 16 weiteren Teilnehmern - darunter acht Bischöfe und vier Weihbischöfe - vertreten.
Belege für die wichtige Rolle, die König während des Konzils spielte, findet man vor allem in den Notizen und Erinnerungen anderer. Der Kardinal selbst hat weder ein Konzilstagebuch verfasst, noch Erinnerungen aufgezeichnet. In den offiziellen Konzilsakten (ASCOV, Acta synodalia Sacrosancti Concilii oecumenici Vaticani II.) scheint der Name Königs 95 mal auf. Gewiss, nicht alle Wortmeldungen des Wiener Erzbischofs in der Konzilsaula waren gewichtige Reden, oft seien dies auch nur kurze Wortmeldungen oder Diskussionsbeiträge gewesen, weiß etwa die langjährige Sekretärin Kardinal Königs und jetzige Leiterin des Wiener "Kardinal König-Archivs", Annemarie Fenzl, zu berichten.
Viel beachtete Reden hat König gehalten zu den Themen Offenbarung, Mariologie, Religionsfreiheit, zum interreligiösen Dialog, der "Judenfrage", zur Kollegialität und zur Ökumene - "allesamt Themen, die den Kardinal auch abseits des Konzils intensiv beschäftigten", so Fenzl. König sei dabei nie ein "Protagonist" des Konzils in dem Sinne gewesen, dass er laute Voten gegeben habe, sondern vielmehr ein "Mann der leisen Töne, stets auf Konsens bedacht und dem Anderen auf Augenhöhe begegnend". Entsprechend war für ihn - wie er selbst gern sagte - nach der Aula die Cafeteria der wichtigste Wort des Konzils: ein Ort des Austauschs und zwanglosen Gesprächs.
Die Rettung von "Nostra Aetate"
Dennoch lässt sich die Handschrift Kardinal Königs durchaus sehr konkret in einzelnen Dokumenten des Konzils nachweisen - etwa in der Erklärung "Nostra aetate" über das Verhältnis zu den nichtchristlichen Religionen. Wenn in der Einleitung dieses Dokuments etwa die Fragen gestellt werden "Was ist der Mensch? Was ist Sinn und Ziel unseres Lebens? (...) Und schließlich: Was ist jenes letzte und unsagbare Geheimnis unserer Existenz, aus dem wir kommen und wohin wir gehen?", so spiegelt sich darin genau jene Fragenkette wieder, die Kardinal König zeitlebens propagiert hat: "Woher komme ich? Wohin gehe ich? Was ist der Sinn meines Lebens?"
Das tatsächliche Format Königs und seine Rolle beim Konzil erschließe sich laut Fenzl jedoch vor allem aus den Berichten anderer Konzilsteilnehmer. So berichtet etwa der als Konzilstheologe des Bischofs von Pune beim Konzil anwesende P. Josef Neuner in seinen Erinnerungen davon, dass es Kardinal König war, der eben jene Erklärung "Nostra Aetate" - die heute als eine der wichtigsten Erklärungen des Konzils gilt - "gerettet" habe.
Die Verhandlungen zur zunächst geplanten "Judenerklärung" waren bekanntlich auf Widerstände gestoßen und ins Stocken geraten. In dieser Situation fand Neuner, wie er berichtet, eines Abends einen Zettel an seiner Tür, er möge sich am nächsten Morgen in der Sakristei des Petersdoms einfinden. Dort wartete bereits eine Gruppe von Theologen aus aller Welt. Plötzlich erschien Kardinal König und erklärte: "Es scheint nur eine Möglichkeit zu geben, den Text zu retten, wenn er in einen universalen Zusammenhang gestellt wird: Wir bedenken nicht nur das Verhältnis der Kirche zu den Juden, sondern zu allen nicht-christlichen Religionen." Dies, so P. Neuner, war der erste Schritt zu jenem Entwurf von "Nostra aetate", der schließlich vom Konzil verabschiedet werden sollte und das Verhältnis zu den nicht-christlichen Religionen neu ordnete.
Kardinal König und Karl Rahner
Der bekannte Innsbrucker Theologe und Jesuit Karl Rahner gilt gemeinhin als Konzilsberater und -theologe des Münchener Kardinals Julius Döpfner. Tatsächlich war es aber Kardinal König, der Rahners theologische Kompetenz für sich beanspruchte. An Rahner schätzte König neben der theologischen Kompetenz vor allem seine "gerade und ungeschminkte Art, sein scharfes analytisches Denken und zugleich seine bodenständige Frömmigkeit", berichtet Archivarin Fenzl.
Sämtliche Konzilsschemata, Textentwürfe und Manuskripte wanderten stets zur Begutachtung auch über Rahners Tisch. Oft sei sein Urteil "vernichtend" gewesen, zitierte Fenzl aus den Randnotizen, die Rahner auf die Tischvorlagen des Kardinals gekritzelt hat. Etwa: "Es ist mit keinem Wort Rücksicht genommen auf die moderne Problematik. Kurz: das Ganze ist ein erbärmliches philosophisches Machwerk, das weder Thema eines Konzils sein kann noch seiner Würdig ist." Und an anderer stelle: "... es sind die Elaborate von guten und frommen Professoren, ... selbstlos, aber einfach der Situation von heute nicht gewachsen".
"Zeuge des Konzils"
Kardinal König hat das Konzil stets als seine "hohe Zeit" bezeichnet - eine Zeit, der er sich zeitlebens als "Zeuge des Konzil" verpflichtet fühlte, so Fenzl. In zahllosen Vorträgen bilanzierte König fortan die Errungenschaften des Konzils - aber mindestens ebenso sehr bewegte ihn die Frage, wie die Erträge des Konzils von weltkirchlicher Ebene auf die jeweilige Ortskirche heruntergebrochen werden könnten. So kündigte König noch während der letzten Session des Konzils im Mai 1965 eine Wiener Diözesansynode an. Von 1969 bis 1971 berieten rund 350 Priester, Ordensleute und Laien aus der Erzdiözese Wien in der Lainzer Konzilsgedächtniskirche über das Konzil und dessen konkrete Umsetzung.
1973 sollte König diesen Schritt auf landesweiter Ebene wiederholen und eine gesamtösterreichische Kirchenversammlung ("Österreichischer Synodaler Vorgang") einberufen. Auf dieser sollten Weichen für eine Erneuerung der Ortskirchen und ein zukunftsfähiges kirchliches Wirken gestellt werden. Hier zeigte sich auch das von Kardinal König nachdrücklich vertretene Prinzip der gemeinsamen Verantwortung von Klerikern und Laien für das Leben und Wirken der Kirche.
Quelle: Kathpress