Freitag 17. Juli 2020

Die Bibel

 

"Die Bibel war für mich kein unbekanntes Buch. Ab und zu las ich darin, manchmal versuchte ich sogar, blind irgendeine Seite aufzuschlagen und auf eine Stelle zu zeigen, um ein besonderes Wort, eine für mich geschriebene Botschaft Gottes zu finden. Das war eine Art Spiel und ziemlich umsonst. Eines Tages fand ich jedoch mein Wort. Ich war unglücklich verliebt und hatte gerade erfahren, dass sie sich mit einem guten Freund von mir verlobt hatte. Am selben Tag erhielt ich die Nachricht, dass ich doch nicht jene Arbeitsstelle bekommen würde, die ich so erstrebt hatte.

 

Ich saß also tief traurig auf dem Rücksitz eines Autos, das mich an meinen Studienort zurückbringen sollte. Da schlug ich die Bibel auf und fand jenes Wort, das mich in einem Augenblick die Welt wieder zuversichtlich sehen ließ: 'Von Ewigkeit zu Ewigkeit blickt er hernieder. Gibt es eine Grenze für seine Hilfe? Nichts ist klein und gering bei ihm, nichts ist für ihn zu unbegreiflich und zu schwer. Man sage nicht: Wozu dies, wozu das? Denn alles ist für seinen besonderen Zweck bestimmt. Man sage nicht: Dies ist schlechter als das. Denn alles ist zu seiner Zeit von Wert. (Sir 39,20-21)'"

 

 

Worte des Lebens

 

Es ist eine besondere Erfahrung, wenn ein Mensch ein solches Wort "für sich" entdeckt, das sein Leben betrifft und ihn verwandelt. Tatsächlich können die Worte der Bibel so konkret die Existenz des Menschen berühren, dass sie zutiefst das Leben verändern. Die Folgen einer solchen Begegnung mit der Botschaft der Heiligen Schrift sind nicht absehbar. Denn es geht um das ganze Leben und um das, was plötzlich Zuversicht schenkt. Und man weiß: Das passt!

 

Es gibt keine Garantie, dass jemand eine solche überwältigende Erfahrung macht. Zumeist wirkt das Wort Gottes eher bescheiden und unauffällig. Manchmal braucht es eine lange Zeit der Vorbereitung, bis man Wesentliches und persönlich Berührendes entdeckt. Deshalb kann auch eine sehr vertraute Bibelstelle mit einem Mal "neu" sein und etwas mitteilen, das bisher übersehen wurde. Die Frohe Botschaft der Heiligen Schrift, die Erzählungen von Befreiung und dem Mitsein Gottes können aber jederzeit als starke Ermutigung für das eigene Leben Gestalt gewinnen.

 

... auch in dunklen Zeiten

 

Die Bibel stellt sich auch den dunklen Seiten des Lebens und der Geschichte: Leid, Schuld, Tod, Verzweiflung, Trauer, Böses usw... Sie berichtet sehr realistisch und zeigt - dennoch - wie Gott in solchen Situationen bei den Menschen ist. Die persönliche Schuld einzelner wird weder verharmlost noch dramatisiert. Das Dunkle, das Negative ist oft Teil der eigenen Persönlichkeit. Aber die Heilige Schrift zeigt einen Weg, auf dem es Schritt für Schritt gelingen kann, das Böse mit all dem Guten in jedem selbst und von seiten der Mitmenschen zu überwinden. Dann gelingt Versöhnung - mit den Menschen und mit Gott.

 

   

"Buch der Bücher"

 

 

Die Bibel ist die Grundlage des christlichen Glaubens. Sie ist eigentlich eine kleine Bibliothek, eine Sammlung von 73 Büchern in zwei großen Teilen (Altes bzw. Erstes und Neues bzw. Zweites Testament). Entstanden sind diese Schriften im Zeitraum von etwa 1000 vor bis 100 nach Christus. Die meisten Schriften werden von allen christlichen Konfessionen als Wort Gottes anerkannt. Einige zählen auch zu den Heiligen Schriften des jüdischen Glaubens und manches wird sogar im Islam geschätzt. Heute gibt es die Bibelübersetzungen in über 300, Teile von ihr in über 2.000 Sprachen.

 

"Erfahrungs-Berichte"

  

Die Verfasser der Bibel erzählen von Gotteserfahrungen und beschreiben menschliche Grunderfahrungen. Sie tun dies im Verständnis und in der Sprache ihrer Zeit. Das macht manches in der Bibel für uns heute schwierig zu verstehen, etwa wenn von Kriegen die Rede ist. Die Autoren der Heiligen Schrift schreiben für verschiedene Adressaten in unterschiedlichen literarischen Gattungen und Formen. So gibt es z.B. Geschichtsbücher, Gesetzestexte, Weisheitsbücher, Lehrerzählungen, prophetische Bücher, apokalyptische Bücher, Gebetssammlungen, Briefe.

  

Besonderes Gewicht haben die Evangelien (nach Matthäus, Markus, Lukas und Johannes). Die Verfasser dieser Schriften setzen unterschiedliche Schwerpunkte; manchmal kann man sogar Widersprüche finden, weil es nicht in erster Linie um eine exakte historische Darstellung, sondern um die tiefere Bedeutung des Geschehenen geht. Entscheidend ist, dass die biblischen Schriften Botschaften mitteilen, die je nach Gattung und Inhalt durch die Jahrhunderte hindurch immer wieder aktuell werden: Wort Gottes an uns.

 

Eine zentrale Erfahrung: Befreiung

 

Die Geschichte der Befreiung Israels aus der Knechtschaft in Ägypten (Buch Exodus) ist von zentraler Bedeutung: Als befreundeter Stamm erhält Israel zunächst Gastfreundschaft in Ägypten und wird dort zu einem Volk. Nach Generationen haben die Ägypter die ursprüngliche Freundschaft vergessen und ziehen die Israeliten zur Sklavenarbeit unter immer schlechteren Bedingungen heran.

 

 

In dieser Situation tritt Mose auf. Er ist von Gott berufen, das Volk Israel zu befreien. Die Verhandlungen mit dem Pharao - die beiden waren zusammen aufgewachsen - verlaufen ergebnislos. Während Israel "sieben Plagen" als göttliche Zeichen versteht, sehen die Ägypter darin "normale Schicksalsschläge". Schließlich gibt der Pharao die Erlaubnis zum Weg in die Freiheit - ohne aber sein Wort halten zu wollen. Deshalb bricht das Volk heimlich auf, nachdem es am Abend das erste Passah-Fest gefeiert hat. Die Flucht gelingt - und damit zugleich der Schritt in eine neue Heimat.

 

Was bedeuten diese Erzählungen von Rettung und Befreiung eines Volkes? Waren das alles nur Zufälle oder kleine Episoden der Weltgeschichte bei einem historisch vergleichsweise unbedeutenden Volk? Obwohl man immer wieder versucht hat, es zu vernichten, hat dieses von Gott erwählte Volk viele mächtigere Völker überlebt. Die Exodus-Erzählungen sind mehr als eine Fußnote der Weltgeschichte. Die Erfahrung von Rettung und Befreiung zeigt für gläubige Menschen (Christen, Juden und respektvolle Angehörige anderer Religionen), dass Gott mitgeht, rettet, befreit und beisteht - auch in scheinbar ausweglosen Situationen. Und immer wieder entdecken heute Menschen, Gruppen und Völker ganz besonders in den Exodus-Erfahrungen des Volkes Israel ein Stück ihrer eigenen Situation bzw. Geschichte: Wir waren unterdrückt und unfrei, aber Gott hat gewaltige Zeichen getan und uns mit starker Hand herausgeführt, um uns in ein neues Land hineinzuführen und es uns zur Heimat zu geben. (Vgl. Dtn 6, 21-23)

 

 

  

"Nimm und lies" - Tipps zum Bibellesen

  • Suche eine geeignete Zeit und plane diese Zeit bewusst ein. Wenn das regelmäßig geschieht, wird es leichter. "Alles hat seine Stunde, für jedes Geschehen gibt es eine bestimmte Zeit. (Vgl. Koh 3, 1) 
  • Suche einen geeigneten Ort, der dir angenehm ist und an dem du für die Zeit des Lesens ungestört bist. "Der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden." (Vgl. Ex 3,5)
  • Bereite dich kurz vor. Gott will zu dir sprechen durch die Heilige Schrift. Sei bereit zu hören und in das Gespräch mit ihm einzutreten. "Du hast Worte des ewigen Lebens!" (Joh 6, 68)
  • Lies nach deinem Interesse. Wähle eine bestimmte Bibelstelle oder stelle deine Fragen an den Text, z.B. wie verhält sich Jesus den Menschen gegenüber, was erwartet Gott von den Menschen, die seine Freunde sind? - "Liebt einander, wie ich euch geliebt habe." (Joh 13, 34)
  • Lass dich ansprechen vom Wort Gottes. Was sagt diese Bibelstelle? Welche Botschaft vermittelt sie? Was bedeutet das für dich? Lies (mehrmals), denk nach, meditiere, suche den aktuellen Bezug zu deinem Leben. - "Rede, Herr, ich will hören." (Vgl. 1 Sam 3, 9)
  • Schließe ab, z.B. mit einem Kreuzzeichen. Nimm einen für dich wichtigen Gedanken bzw. ein Wort aus der Bibel mit in die nächsten Stunden, in die nächsten Tage. - Jesus sagt: "Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt." (Mt 28, 20) die Wahrheit, die Gott den Menschen mitteilen will. Gott spricht durch die Heilige Schrift zu uns. 

  

 

Buch der Kirche

  

Für die Kirche ist die Heilige Schrift der zentrale Bezugspunkt ihres Lebens und Glaubens. Die Bibel wirkt gleichsam als Impulszentrum, Energiequelle und kritisches Potenzial für die Gemeinschaft der Kirche und die einzelnen Gläubigen auf dem Weg durch die Zeit. Viele Menschen erleben, dass Bibellesen gut-tut. Sie nehmen Gedanken in ihren Alltag mit, sie lassen sich auf die Botschaft ein. Sie lernen auf diese Art z.B. aufmerksamer, bewusster, solidarischer und gelassener zu leben.  

 

Bibel heute

  

Die Botschaft der Heiligen Schrift richtet sich an Menschen aller Generationen und Kulturen. In den Grunderfahrungen, die sie beschreibt, können sich Menschen auch heute wiederfinden. Sie würden es mit anderen Worten ausdrücken, aber sie erkennen in der Bibel ihre eigenen Erfahrungen. Sie entdecken im Lesen, Betrachten, Erzählen und Deuten Spuren Gottes im eigenen Leben. Ihnen begegnet der Ruf, der Anspruch, der Zuspruch Gottes, der den Blick für die eigene Berufung öffnet. Und sie finden

  

Ein Teil der Weltliteratur

  

Viele Texte der Bibel gehören zum "Kulturgut" der Menschheit. Sie hat das Zusammenleben der Menschen durch die Jahrhunderte inspiriert, auch die Formulierung der Menschenrechte. Wenn man von der Bibel als Teil der "Weltliteratur" spricht, denken viele an die "Bergpredigt" (Mt 5-7), die in einer unvergleichlichen Dichte zentrale Elemente einer gelingenden Gottesbeziehung beschreibt und daraus "Heil" verspricht.

 

 

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