Freitag 17. Juli 2020

Zentrale Konzilstexte - quergelesen

 

In den vier Sitzungsperioden vom 11. Oktober 1962 bis zum 8. Dezember 1965 erarbeiteten die Konzilsväter dazu 16 Dokumente: vier Konstitutionen, neun Dekrete und drei Erklärungen. Schlüsseldokumente sind dabei die Konstitutionen. Die wichtigsten Dokumente hier in einer kurzen Zusammenschau:

 


 

 

Die dogmatische Konstitution "Lumen gentium" (1964) legt das neue Selbstverständnis der Kirche dar. Sie definiert Kirche als die Gemeinschaft der Gläubigen, als "Volk Gottes" auf dem Weg durch die Zeit. In dieser ständig zu reformierenden Kirche wird das "gemeinsame Priestertum" aller Gläubigen betont, das bei Priestern und Laien in unterschiedlichen Formen verwirklicht wird. Das Bischofskollegium wird aufgewertet. Es leitet, wie eine ergänzende Erklärung von Papst Paul VI. feststellt, die Kirche "mit und unter Petrus".

 

Aus der Konstitution "Sacrosanctum Concilium" (1963) über die Liturgie erwuchs die 1970 umgesetzte Erneuerung des Gottesdienstes und der Sakramente sowie die Einführung der Volkssprache. Die Gläubigen sollen als Gemeinde aktiv ins liturgische Geschehen einbezogen werden; die Zentrierung auf den Priester tritt zurück. Die Konzilsväter betonen den Wert der Bibelverkündigung und der Kirchenmusik im Gottesdienst. Das neue römische Messbuch von 1969/70 geht weiter und schafft die alte Tridentinische Messe, bei der die Priester das Messopfer mit dem Rücken zur Gemeinde feiern, ab. Zahlreiche Traditionen und Riten wie etwa die Kanzelpredigt oder die "Stillen Messen" werden abgeschafft. Insbesondere die im Fahrwasser dieser Konstitution durchgeführten Reform wurde von Konservativen und Traditionalisten scharf kritisiert und führte später zu Abspaltungen.

 

Die Konstitution "Gaudium et spes" (1965) versucht eine umfassende Positionsbestimmung der "Kirche in der Welt von heute". Das Dokument vollzieht den Wandel von einer rein defensiven Haltung gegenüber der Moderne zu einem kritisch-konstruktiven Zugang. Ausgehend von der Würde der menschlichen Person thematisiert es Fragen wie Atheismus, Gerechtigkeit, Rüstung, Selbstverteidigung und Frieden und fordert die Verbindung von wissenschaftlichem und wirtschaftlichem Fortschritt mit gelebter Solidarität.   

 

Die Konstitution "Dei Verbum" (1965) über die göttliche Offenbarung bahnt mit der Zulassung der historisch-kritischen Auslegung einem neuen wissenschaftlichen Umgang mit der Bibel den Weg. Das Dokument versucht, ein ausgewogenes Verhältnis von Heiliger Schrift, kirchlicher Tradition und kirchlichem Lehramt zu schaffen. Offenbarung wird als Selbstmitteilung Gottes in Worten und Taten verstanden.

 

Die Erklärung "Nostra aetate" (1965) klärt das Verhältnis der römischen Kirche zu den nichtchristlichen Religionen. Mit einer klaren Absage an den traditionellen Antijudaismus beginnt eine Aussöhnung der Kirche mit dem Judentum. Das Dokument betont das Verbindende mit den anderen Religionen, ohne den eigenen Wahrheitsanspruch zu schmälern. Die katholische Kirche, so heißt es, lehne nichts von dem ab, was in den Religionen "wahr und heilig" sei. Christen, Juden und Muslime werden ermuntert, gegenseitig Missverständnisse im Dialog auszuräumen.

 

Das Dekret "Unitatis redintegratio" (1964) gilt als Meilenstein der ökumenischen Dialogbereitschaft der römischen Kirche. In einer gemeinsamen Erklärung am vorletzten Tag des Konzils heben Papst Paul VI. und der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Athenagoras, die 1054 von ihren Vorgängern sanktionierte gegenseitige Exkommunikation auf. Das Dekret begründet den Dialog mit den christlichen Konfessionen mit dem Ziel der Einheit der Kirche.

 

Die Erklärung "Dignitatis humanae" (1965) über die Religionsfreiheit verweist auf die unverbrüchliche Menschenwürde jedes Einzelnen und spricht allen Menschen das bürgerliche Recht zu, ihre Religion frei nach dem eigenen Gewissen zu wählen. Gleichwohl betont das Konzil die Überzeugung, dass die "einzig wahre Religion" verwirklicht sei "in der katholischen, apostolischen Kirche".

 

Bischofsamt:  Im Dekret "Christus Dominus" (1965) über das bischöfliche Hirtenamt in der Kirche stärkt das Konzil die Lehr- und Leitungsfunktion des Bischofs in seiner Diözese gegenüber der römischen Kirchenzentrale und dem aufkommenden Instrument der nationalen Bischofskonferenzen. Die Betonung der bischöflichen Kollegialität schafft ein Gegengewicht zur Definition des päpstlichen Primats beim Ersten Vatikanum (1870/71). Zugleich wertet das Konzil in dem Dokument die Stellung der Laien gegenüber den Priestern und Bischöfen auf.

 

Schließlich entwirft das Konzil gleich in mehreren Dekreten Richtlinien für eine zeitgemäße Form christlichen Lebens und Dienstes in geistlichen Berufen für Priester, Ordensleute und Laien. Die Bedeutung der Berufung von Laien wird betont, die Priesterausbildung neu geordnet. Die Missionstätigkeit der Kirche erhält im Dekret "Ad gentes" eine neue theologische Grundlage. Das Konzilsdokument "Inter mirifica" (1963) wiederum ermuntert Katholiken, sich Medienkompetenz anzueignen, diese weiterzugeben und so christlichen Positionen auch über die Medien gesellschaftlich Gehör zu verschaffen.

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