"Gaudium et spes" (Artikel 65)
Aus der Konstitution "Gaudium et spes. Über die Kirche in der Welt von heute"
65. Der Mensch Herr des wirtschaftlichen Fortschritts
Niemals darf der wirtschaftliche Fortschritt der Herrschaft des Menschen entgleiten; ebensowenig darf er der ausschließlichen Bestimmung durch wenige mit übergroßer wirtschaftlicher Macht ausgestattete Einzelmenschen oder Gruppen noch auch durch den Staat, noch durch einige übermächtige Nationen ausgeliefert sein. Im Gegenteil ist geboten, daß auf jeder Stufe möglichst viele Menschen und, soweit es sich um den zwischenstaatlichen Bereich handelt, alle Nationen an der Lenkung des wirtschaftlichen Fortschritts aktiv beteiligt seien. Gleicherweise bedarf es der rechten Zusammenordnung und des sachgerechten inneren Verbundes des der eigenen Initiative entspringenden Wirkens der Einzelnen und der freien Gruppen einerseits und der Maßnahmen öffentlicher Gewalten andererseits.
Das Wachstum ist weder ausschließlich dem Automatismus des Tuns und Lassens der einzelnen Wirtschaftssubjekte noch ausschließlich dem Machtgebot der öffentlichen Gewalt zu überantworten. Sowohl die Lehren, die unter Berufung auf eine mißverstandene Freiheit notwendigen Reformen den Weg verlegen, als auch solche, die um einer kollektivistischen Organisation des Produktionsprozesses willen grundlegende Rechte der Einzelpersonen und der Gruppen hintansetzen, sind daher gleicherweise als irrig abzulehnen.
Die Bürger sollen sich ihrer auch von der Staatsgewalt anzuerkennenden Berechtigung und Verpflichtung bewußt sein, nach Maßgabe ihrer Möglichkeiten zum wahren Fortschritt ihres Gemeinwesens beizutragen. Namentlich in den wirtschaftlich weniger entwickelten Ländern, wo alle verfügbaren Mittel dringend benötigt werden, heißt es das Gemeinwohl ernstlich gefährden, wenn man seine Mittel dem produktiven Einsatz vorenthält oder - unbeschadet des persönlichen Rechtes auszuwandern - seinem Gemeinwesen materielle und ideelle Hilfen, auf die es angewiesen ist, entzieht.
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