Freitag 17. Juli 2020
Das Konzil am Wort

"Gaudium et spes" (Artikel 69)

 

Aus der Konstitution "Gaudium et spes. Über die Kirche in der Welt von heute"

 

69. Die Widmung der irdischen Güter an alle Menschen

 

Gott hat die Erde mit allem, was sie enthält, zum Nutzen aller Menschen und Völker bestimmt; darum müssen diese geschaffenen Güter in einem billigen Verhältnis allen zustatten kommen; dabei hat die Gerechtigkeit die Führung, Hand in Hand geht mit ihr die Liebe. Wie immer das Eigentum und seine nähere Ausgestaltung entsprechend den verschiedenartigen und wandelbaren Umständen in die rechtlichen Institutionen der Völker eingebaut sein mag, immer gilt es, achtzuhaben auf diese allgemeine Bestimmung der Güter.

 

Darum soll der Mensch, der sich dieser Güter bedient, die äußeren Dinge, die er rechtmäßig besitzt, nicht nur als ihm persönlich zu eigen, sondern muß er sie zugleich auch als Gemeingut ansehen in dem Sinn, daß sie nicht ihm allein, sondern auch anderen von Nutzen sein können. Zudem steht allen das Recht zu, einen für sich selbst und ihre Familien ausreichenden Anteil an den Erdengütern zu haben. Das war die Meinung der Väter und Lehrer der Kirche, die sagen, es sei Pflicht, die Armen zu unterstützen, und zwar nicht nur vom Überfluß.

 

Wer aber sich in äußerster Notlage befindet, hat das Recht, vom Reichtum anderer das Benötigte an sich zu bringen. Angesichts der großen Zahl derer, die in der Welt Hunger leiden, legt das Heilige Konzil sowohl den Einzelnen als auch den öffentlichen Gewalten dringend ans Herz, sie möchten doch eingedenk des Väterwortes: "Speise den vor Hunger Sterbenden, denn ihn nicht speisen heißt ihn töten", jeder nach dem Maße dessen, was ihm möglich ist, Ernst damit machen, ihre Güter mitzuteilen und hinzugeben und dabei namentlich jene Hilfen zu gewähren, durch die sie, seien es Einzelne, seien es ganze Völker, sich selber helfen und entwickeln können.

 

In den wirtschaftlich wenig entwickelten Gesellschaften wird der Gemeinwidmung der Güter zu einem Teil durch Gewohnheiten und Überlieferungen Rechnung getragen, die jedem Glied der Gemeinschaft das unbedingt Nötige sichern. Es muß aber vermieden werden, bestimmte Gewohnheiten als starr und unveränderlich anzusehen, wenn sie neuen Bedürfnissen der Gegenwart nicht mehr genügen, nicht minder aber auch, in unkluger Weise gegen an sich achtenswerte Gewohnheiten anzugehen, die bei geschickter Anpassung an die heutigen Verhältnisse auch weiterhin großen Nutzen stiften.

 

In ähnlicher Weise kann in wirtschaftlich weit fortgeschrittenen Ländern eine Vielfalt von Einrichtungen sozialer Vorsorge und Sicherung zu ihrem Teil die Gemeinwidmung der Güter verwirklichen. Weiter auszubauen sind Familien- und Gemeinschaftsdienste, namentlich solche mit bildenden und erzieherischen Zielen. Bei allen Maßnahmen dieser Art gilt es aber darauf zu achten, daß die Staatsbürger nicht zu Passivität gegenüber der Gesellschaft verleitet werden, nicht der Erfüllung der ihnen obliegenden Pflichten aus dem Wege gehen oder ihre Dienstleistung verweigern.

 

 

 

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