Freitag 17. Juli 2020
Das Konzil am Wort

"Gaudium et spes" (Artikel 71)

 

Aus der Konstitution "Gaudium et spes. Über die Kirche in der Welt von heute"

 

71. Der Zugang zu Eigentum und privatem Vermögen; landwirtschaftlicher Großgrundbesitz

 

Eigentum und andere Formen privater Verfügung über äußere Güter tragen bei zur Selbstdarstellung der Person; überdies geben sie dem Menschen die Möglichkeit, seine Aufgabe in Gesellschaft und Wirtschaft zu erfüllen; darum liegt viel daran, den Zugang sowohl der Einzelnen als auch der Vergemeinschaftungen zu einem gewissen Maß von Verfügungsmacht über äußere Güter zu begünstigen.

 

Privateigentum oder ein gewisses Maß an Verfügungsmacht über äußere Güter vermitteln den unbedingt nötigen Raum für eigenverantwortliche Gestaltung des persönlichen Lebens jedes Einzelnen und seiner Familie; sie müssen als eine Art Verlängerung der menschlichen Freiheit betrachtet werden; auch spornen sie an zur Übernahme von Aufgaben und Verantwortung; damit zählen sie zu den Voraussetzungen staatsbürgerlicher Freiheit.

 

Diese Verfügungsmacht oder dieses Eigentum gibt es heute in vielerlei Gestalt; von Tag zu Tag werden sie noch vielgestaltiger. Alle behalten auch neben den Einrichtungen der sogenannten sozialen Sicherheit, neben den von der Gesellschaft gewährleisteten Rechtsansprüchen und Dienstleistungen ihre Bedeutung als nicht geringzuschätzende Daseinssicherung. Das gilt aber nicht allein vom materiellen, sondern auch vom immateriellen Eigentum, z.B. von beruflichen Fähigkeiten.

 

Das Recht auf Privateigentum schließt aber die Rechtmäßigkeit von Gemeineigentum in verschiedenen Formen nicht aus. Die Überführung von Gütern in Gemeineigentum kann nur von den zuständigen obrigkeitlichen Stellen entsprechend dem, was das Gemeinwohl fordert, und in dieser Begrenzung sowie gegen billige Entschädigung erfolgen. Sache der öffentlichen Gewalt ist es auch, Vorsorge zu treffen gegen einen Mißbrauch privaten Eigentums im Widerspruch zum Gemeinwohl.

 

Aber auch das Privateigentum selbst hat eine ihm wesentliche soziale Seite; sie hat ihre Grundlage in der Widmung der Erdengüter an alle. Bei Außerachtlassung dieser seiner sozialen Seite führt das Eigentum in großem Umfang zu Raffgier und schweren Verirrungen; das aber liefert seinen Gegnern den Vorwand, das Eigentumsrecht als solches in Frage zu stellen.

 

In manchen wirtschaftlich weniger entwickelten Ländern besteht großer, ja riesengroßer Landbesitz, der nur schwach genutzt oder gar in spekulativer Absicht völlig ungenützt liegen gelassen wird, während die Mehrheit der Bevölkerung entweder überhaupt keinen Boden besitzt oder nur äußerst geringe landwirtschaftliche Nutzflächen in Bestellung hat, während auf der anderen Seite die Steigerung der landwirtschaftlichen Erträge unverkennbar dringlich ist.

 

Nicht selten beziehen diejenigen, die von den Eigentümern als Arbeitskräfte gedungen werden oder Teile von deren Besitz als Pächter bewirtschaften, nur einen menschenunwürdigen Lohn oder Ertragsanteil, ermangeln angemessener Unterkunft und werden von Mittelspersonen ausgebeutet. Ohne jede Daseinssicherung leben sie in einer Dienstbarkeit, die ihnen nahezu jede Möglichkeit raubt, aus eigenem Antrieb und in eigener Verantwortung etwas zu unternehmen, ihnen jeden kulturellen Fortschritt und jede Beteiligung am gesellschaftlichen und politischen Leben versagt.

 

Hier sind Reformen geboten mit dem Ziel, je nach Lage des Falles die Bezüge zu erhöhen, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, das Beschäftigungsverhältnis zu sichern, Anreiz zu eigener Unternehmungslust zu bieten, schließlich auch die nicht hinreichend genutzten Besitzungen aufzuteilen unter diejenigen, die imstande sind, diese Flächen ertragbringend zu machen. In letzterem Falle müssen die nötigen Sachmittel und Hilfseinrichtungen beigestellt werden, insbesondere Ausbildungsbeihilfe und organisatorischer Verbund echt genossenschaftlicher Art. Wo das Gemeinwohl die Entziehung des Eigentums erfordert, ist die Entschädigung nach Billigkeit zu bemessen unter Abwägung aller einschlägigen Gesichtspunkte.

 

 

 

» Webtipp
  Sämtliche bisherige "Konzils-Happen" zum Nachlesen
  Konzils-Dokumente zum Nachlesen

 

 

 

 

 


 

"Das Konzil am Wort" ist ein besonderes Angebot zur Relecture der Konzilstexte: Tag für Tag und somit Stück für Stück kann man hier die Dokumente - von "Dei Verbum" bis "Inter Mirifica" mit- und nachlesen. "Das Konzil am Wort" ist ein Service von www.jahrdesglaubens.at in Kooperation mit www.erzdioezese-wien.at - dort kann das Service auch als täglicher E-Mail-Dienst abonniert werden.

 

Termine
Derzeit finden keine Termine statt.
Diözesanseiten
image Eisenstadt Graz-Seckau Wien St. Pölten Linz Gurk-Klagenfurt Salzburg Feldkirch Innsbruck
Medienreferat der Österreichischen
Bischofskonferenz

Stephansplatz 4/6/1

A-1010 Wien
http://www.jahrdesglaubens.at/