Freitag 17. Juli 2020
Das Konzil am Wort

"Dignitatis Humanae" (Artikel 11)

 

Aus der Erklärung "Dignitatis humanae. Über die Religionsfreiheit"

 

11. Gott ruft die Menschen zu seinem Dienst im Geiste und in der Wahrheit, und sie werden deshalb durch diesen Ruf im Gewissen verpflichtet, aber nicht gezwungen. Denn er nimmt Rücksicht auf die Würde der von ihm geschaffenen menschlichen Person, die nach eigener Entscheidung in Freiheit leben soll. Dies aber ist vollendet in Christus Jesus erschienen, in dem Gott sich selbst und seine Wege vollkommen kundgetan hat. Denn Christus, unser Meister und Herr und zugleich sanft und demütig von Herzen, hat seine Jünger in Geduld zu gewinnen gesucht und eingeladen.

 

Gewiß hat er seine Predigt mit Wundern unterstützt und bekräftigt, um den Glauben der Hörer anzuregen und zu bestätigen, nicht aber um einen Zwang auf sie auszuüben. Gewiß hat er den Unglauben seiner Hörer gescholten, aber so, daß er die Züchtigung Gottes für den Tag des Gerichtes zurückstellte. Bei der Aussendung der Apostel in die Welt sprach er zu ihnen: "Wer glaubt und sich taufen läßt, wird selig werden; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden" (Mk 16,16).

 

Als er bemerkte, daß Unkraut zugleich mit dem Weizen gesät war, befahl er, daß man beides wachsen lasse bis zur Ernte, die am Ende der Weltzeit geschehen wird. Er lehnte es ab, ein politischer Messias zu sein, der äußere Machtmittel anwendet. Statt dessen zog er es vor, sich den Menschensohn zu nennen, der gekommen ist, "um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für die vielen" (Mk 10,45). Er erwies sich als der vollkommene Gottesknecht, der "das geknickte Rohr nicht zerbricht und den glimmenden Docht nicht auslöscht" (Mt 12,20).

 

Die staatliche Gewalt und ihre Rechte erkannte er an, als er befahl, dem Kaiser Steuer zu zahlen, mahnte aber deutlich, daß die höheren Rechte Gottes zu wahren seien: "Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist" (Mt 22,21). Schließlich hat er durch das Erlösungswerk am Kreuz, um den Menschen das Heil und die wahre Freiheit zu erwerben, seine Offenbarung zur Vollendung gebracht. Er gab der Wahrheit Zeugnis, und dennoch wollte er sie denen, die ihr widersprachen, nicht mit Gewalt aufdrängen. Sein Reich wird ja nicht mit dem Schwert beschützt, sondern wird gefestigt im Bezeugen und Hören der Wahrheit und wächst in der Kraft der Liebe, in der Christus, am Kreuz erhöht, die Menschen an sich zieht.

 

Die Apostel sind, belehrt durch das Wort und das Beispiel Christi, den gleichen Weg gegangen. Schon in den Anfängen der Kirche haben sich die Jünger Christi abgemüht, die Menschen zum Bekenntnis zu Christus dem Herrn zu bekehren, nicht durch Zwang und durch Kunstgriffe, die des Evangeliums nicht würdig sind, sondern vor allem in der Kraft des Wortes Gottes. Mit Festigkeit verkündigten sie allen den Ratschluß des Erlösergottes, der "will, daß alle Menschen selig werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen" (1 Tim 2,4); dabei aber nahmen sie Rücksicht auf die Schwachen, selbst wenn sie im Irrtum waren; so zeigten sie, wie "jeder von uns Gott Rechenschaft für sich geben wird" (Röm 14,12) und dementsprechend zum Gehorsam in seinem Gewissen verpflichtet ist.

 

Gleich wie Christus waren die Apostel allzeit bestrebt, der Wahrheit Gottes Zeugnis zu geben, und sie nahmen dabei in reichem Maße das Wagnis auf sich, vor dem Volk und seinen Vorstehern "mit Freimut das Wort zu sagen" (Apg 4,31). Mit starkem Glauben hielten sie daran fest, daß das Evangelium wahrhaft eine Kraft Gottes zum Heil ist für jeden, der glaubt. So verschmähten sie alle "fleischlichen Waffen". Dem Beispiel der Güte und Bescheidenheit Christi folgend, verkündeten sie das Wort Gottes, im vollen Vertrauen, daß die göttliche Kraft dieses Wortes imstande ist, die gottwidrigen Mächte zu zerstören und die Menschen dahin zu führen, an Christus zu glauben und ihm zu gehorchen.

 

Wie ihr Meister, so achteten auch die Apostel die legitime staatliche Autorität: " Es gibt keine Gewalt, die nicht von Gott stammt", lehrt der Apostel, und deshalb befiehlt er: "Jedermann sei den obrigkeitlichen Gewalten untertan ...; wer sich der Gewalt widersetzt, widersteht der Anordnung Gottes" (Röm 13,1-2). Dabei scheuten sie sich nicht, der öffentlichen Gewalt zu widersprechen, wenn sie zu dem heiligen Willen Gottes in Gegensatz trat: "Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen" (Apg 5,29). Märtyrer und Gläubige ohne Zahl sind zu allen Zeiten überall diesen Weg gegangen.

 

 

 

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